12-Bund-Gitarren

Gitarrenbau Christian Stoll: Solistengitarre Classic Custom - Decke aus AAA Zeder
Klassische Gitarre mit Halsübergang am 12. Bund

12-Bund-Gitarren sind Gitarren, deren Hals-Korpus-Übergang sich am 12. Bund befindet. Grundsätzlich ist das bei allen Klassikgitarren der Fall. In diesem Artikel soll es jedoch um die Stahlsaitengitarre gehen, die sich aus der klassischen Gitarre entwickelt hat.

Um die heutige 12-Bund-Gitarre zu verstehen, müssen wir nicht nur einen Blick auf die Entwicklung der Gitarre werfen, sondern uns auch mit der 14-Bund-Gitarre befassen.

12-Bund Bauweise

Die Klassikgitarre ist die Matrize für alle nachfolgenden Gitarrenarten. Die Bauweise der 12-Bund-Gitarre orientiert sich, wie viele andere Musikinstrumente, am goldenen Schnitt. Das heißt unter anderem, dass im Zentrum des schwingenden Teils der Decke der Steg sitzt und so die Decke optimal bewegen kann. Der bewegliche Teil der Decke ist der Bereich unterhalb des Schalllochs. Durch die Saiten in Schwingung versetzt, funktioniert die Gitarrendecke nun wie eine Luftpumpe und transportiert den Schall aus dem Korpus nach außen. Und dies geht am besten, wenn der Steg an der Stelle sitzt, wo er den größten Einfluss auf die Deckenbewegung nehmen kann.

Kurze Geschichte der Stahlsaitengitarre

Die Stahlsaitengitarre hat sich im 19. Jahrhundert in Nordamerika aus der klassischen Gitarre entwickelt. Ein hoher Bedarf an einfachen Musikinstrumenten, die gut transportabel, leicht erlernbar und finanziell erschwinglich waren, führte dazu, dass die teuren Darmsaiten der klassischen Gitarre kurzerhand mit kostengünstigem Draht ersetzt wurden.

Fotomontage Halsübergang Gitarre vom 12. an den 14. Bund verschieben
Von links: STOLL Ambition Parlour 12-Bund-Gitarre, Fotomontage Steg, Schalloch und Hals verschoben, Fotomontage Oberbug verkleinert

Dumm nur, dass in den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Bedürfnisse nach einem lauteren Instrument wuchsen, als die Gitarre verstärkt in Bands zum Einsatz kam und sich gegen Banjos durchsetzen musste. Mit den Banjos als Vorbild kam dazu noch der Wunsch nach einem längeren Hals. Dies war schicksalhaft für die weitere Entwicklung der Stahlsaitengitarre. Die 14-Bund-Gitarre wurde geboren.

12-Bund nach 14-Bund

Unter Beibehaltung der Mensur gab es nun zwei Möglichkeiten, den Hals-Korpus-Übergang zu verschieben. Die erste Möglichkeit war, die Einheit Steg, Schalloch, Hals nach oben zu verschieben. Die Folge davon wäre gewesen, dass sich der Steg nun nicht mehr an der optimalen Stelle zur Tonerzeugung befindet.

Die zweite Möglichkeit war, stattdessen den Korpus, respektive den Oberbug zu verkleinern. Wie man unschwer an den gezeigten Fotomontagen erkennen kann, ergäben diese Veränderungen ein absolut unharmonisches Bild und es liegt nah, dass eine Gitarre nach diesen Vorbildern nicht so gut klingen würde.

Dem Verschieben des Hals-Korpus-Übergangs mussten also eine Vielzahl baulicher Veränderungen folgen. Die meisten heute gebauten 14-Bund-Gitarren zeichnen sich durch eine kürzeren Oberbug sowie einen aus dem Mittelpunkt nach oben verschobenen Steg aus. 

Einfache Deckenbeleistung

12-Bund hin und zurück

Nachdem die ersten mit Draht bespannten Gitarren noch über eine sehr rudimentäre Beleistung verfügten, wurde durch die Vergrößerung des Korpus und den längeren Hals auch eine viel aufwändigere Deckenbeleistung nötig.

Wenngleich Martin bereits das bekannte X-Bracing einsetzte, sah man sich auch dort gezwungen, Anpassungen des Kreuzes vorzunehmen, da es durch den stärkern Saitenzug zu einer Deckenwölbung hinter dem Steg kam. Die optimale Position der Kreuzbeleistung wurde erst Ende der 1930er Jahren gefunden.
Weitere Entwicklungen des Innenlebens, ausgelöst durch die Stahlsaiten, waren z.B. die Stabilisierung des längeren Halses durch den (heute) verstellbaren Halsstab oder das Scalloped Bracings, um die Decke zwar gegen den Saitenzug zu stabilisieren, ihre Schwingungsfähigkeit aber so weit wie möglich zu erhalten.

All diese Entwicklungen wurden zwar zunächst an 14-Bund-Gitarren durchgeführt, sind jedoch seit langem selbstverständlich auch in 12-Bund-Gitarren umgesetzt.

Klang

12-Bund-Gitarren muten wunderbar harmonisch an und bestechen durch einen reichhaltigen Mittenbereich. Der volle Klang, vor allem in den Tiefmitten und im Bass, stellt an den Gitarrenbauer die Aufgabe, die Höhen mit Hilfe der Deckenbeleistung so zu unterstützen, dass sich ein ausgewogenes Klangbild ergibt.

12-bund gitarre fingerstyle heimische hölzer gitarrenbauer Christian stoll
12-Bund Gitarre STOLL Ambition Fingerstyle

Den Klang einer 12-Bund-Gitarre mit einer 14-Bündigen zu simulieren ist bis zu einem gewissen Maß möglich, aber die Gesetze der Statik kann selbst der beste Gitarrenbau nicht aushebeln. 12-Bund-Gitarren haben einfach eine andere Schwingdynamik.

Spielbarkeit

12-Bund-Gitarren lassen sich am Griffbrett leichter bedienen und sind rückenfreundlicher, sie sind auch leichter zu spielen, vorausgesetzt die Beleistung arbeitet nicht gegen die natürliche Dynamik zwischen Stegposition und Decke. Denn die 12-Bund-Gitarre ist hier beweglicher, weil der Steg eben im Mittelpunkt des schwingenden Bereiches den größtmöglichen Hub hat.

12-Bund Steelstring-Gitarre Ambition Parlor - Boden und Zargen aus gestocktem Mango Decke aus Engelmannfichte
STOLL 12-Bund-Gitarre Ambition Parlour

Vergleichen kann man das z. B. mit dem Heben eines schweren Gegenstandes. Körpernah geht dies leichter als mit ausgestreckten Armen, wobei körpernah für die Stegposition im Mittelpunkt und die ausgestreckten Arme für die verschobene Stegposition steht.

12-Bund Spieltechniken

12-Bund-Gitarren eignen sich hervorragend für Fingerpicking. Hier unterstützt die Decke durch ihre Schwingdynamik optimal die Klangentfaltung.

Weniger geeignet sind sie für hartes Plektrum-Spiel. Durch das lange Schwingen der Decke käme es zu einer Überlagerung der Frequenzen und damit zu unerwünschten akustischen Nebeneffekten.

STOLL 12-Bund-Gitarren

Wer den Wurzeln der Stahlsaitengitarre nachspüren möchte, findet bei uns folgende Gitarren: