Zeitschrift: Akustik Gitarre 06/2003 | Autor: Andreas Schulz
Christian Stoll, Gitarrenbauer aus Waldems im Taunus, bewirbt nun die "PT 59" als Einsteiger-Modell im Steelstring-Bereich. Sein erklärtes Ziel war es, ein Instrument zu entwickeln, das durch Klang und Handhabung Gitarrenschüler motiviert und zu einem akzeptablen Preis erhältlich ist. "Die Einsparung der Kosten soll dabei nicht zu Lasten der wesentlichen Qualitätsmerkmale eines guten Instrumentes gehen," so der Kommentar des Gitarrenbauers. Diese günstige vollmassive Steelstring soll es also auch dem Einsteiger ermöglichen, von der verbesserten Klangentfaltung massiver Hölzer zu profitieren.
Konstruktion
Beim ersten Blickkontakt kommt keineswegs der Eindruck auf, dass hier ein Instrument unter höchsten Kostendruck gefertigt wurde. Die PT 59 macht einen souveränen Eindruck und ist schmuck anzusehen. Verzichten muss man auf aufwändige Griffbrettverzierungen, Perlmutt-Arien und Hochglanzlackierung. Dafür gibt es andere schöne Details, die für viele Gitarristen sicher wichtiger sind. So bestehen die Bindings aus mehrstreifigem Holz, es gibt eine wirklich nette Intarsie rund ums Schallloch, Stegeinlage und Sattel bestehen aus Knochen, die Pins zum Feststecken der Saiten und die kleine Abdeckplatte, die den Zugang zur Halseinstellung abdeckt, sind ebenfalls aus Holz. Fazit: an der gesamten Gitarre ist keinerlei Kunststoff oder irgend ein anderes "billiges" Material zu entdecken. Kompliment!
Mit dem Nylonstring-Modell "Primera" hat der Gitarrenbauer Christian Stoll bewiesen, dass es möglich ist, für wenig Geld eine vollmassive Gitarre in Handarbeit herzustellen. Längst fällig war ein entsprechendes Stahlsaiten-Modell.
Die PT 59 kommt in leicht verkleinertem und schlanken Dreadnought-Design, der immer noch am weitesten verbreiteten Form für akustische Steelstrings. Boden und Zargen bestehen aus massivem Mahagoni von durchaus respektabler Qualität und Optik. Der Boden ist deutlich sichtbar gewölbt. Zwei Stücke massiver Alpenfichte bilden die Decke. Sie sind bookmatched (also spiegelbildlich) zusammengefügt, allerdings deutlich unterschiedlich gemasert. So ergibt sich ein etwas "unruhiges" Bild. Der Schalllochring ist ein attraktives schwarz-rot-braunes Holzmosaik; darunter sitzt zum Schutz der Decke vor Kratzern ein Schlagbrett. Der Steg besteht aus Palisander und ist relativ hoch. Die Stegeinlage ragt nur wenig heraus, für die hohe e-Saite hat man gerade noch etwa einen Millimeter Abstand zur Oberkante des Steges. Wer eine tiefe Saitenlage bevorzugt, stößt hier unter Umständen recht früh an eine Einstellungsgrenze. Zudem besitzt die Gitarre keine Gurthalteknöpfe - ein Fachmann kann diese aber sicherlich problemlos nachrüsten.
Werfen wir einen Blick auf den Hals. Er besteht aus Mahagoni, das Griffbrett und das Furnier der Kopfplatte sind aus Palisander. Das Shaping der Halsrückseite entspricht einem kräftig abgeflachten D; der Hals ist schlank und unterstützt lockeres Greifen. Keine Spieltechnik sollte hier auf Widerstände stoßen. Der Hals ist kein "Einteiler", sowohl am Halsfuß als auch an der Kopfplatte wurden Holzteile angesetzt. Diese Konstruktionsdetails sind heute weit verbreitet und sollten gerade in der Preisklasse, in der die PT 59 als vollmassives Instrument antritt, nicht als negativ gewertet werden.
Bundiert ist die PT 59 mit 19 mitteldicken und mittelhohen Bundstäbchen. Der "Fret-Job" ist tadellos ausgeführt, die Bundoberkanten sind sauber poliert und die Ecken entgratet. Die Mechaniken sind gekapselt und dauergeschmiert, sie stammen vom deutschen Traditionshersteller Schaller. Die recht dicken Stimmflügel liegen satt und vertrauenerweckend in der Hand, die Mechaniken selbst arbeiten tadellos. Die Gitarre ist leicht kopflastig, doch das ist mit der linken Hand in den Griff zu bekommen. Die Verarbeitung dieser Stoll-Einsteiger-Steelstring ist auf hohem Niveau.
Die gesamte Holzbearbeitung ist ohne Fehl und Tadel, die Materialauswahl kann angesichts des Preises und des Attributs "Handmade in Germany" verblüffen. Man weiß, dass gespart wurde, doch der Gitarrenbauer hat dies so sorgfältig und werterhaltend vorgenommen, dass man spontan gar nichts davon mitbekommt. Das gilt auch für das Korpusinnere. Das Scalloped-Bracing und die gesamte Verarbeitung sind auch hier nicht zu beanstanden. Durch die seidenmatte Nitrocellulose-Lackierung hat das Instrument eine "hölzerne" Aura und fühlt sich angenehm an. Das Zwischenfazit in Sachen Konstruktion, Materialien und Verarbeitung ist uneingeschränkt positiv.
Handhabung und Klang
Die Stoll PT 59 bietet die Basis für bequemes und lockeres Spiel. Die Handhabung ist durchweg unproblematisch und sollte den Bedürfnissen von Einsteigern und Gitarrenschülern entgegenkommen. Man hat hier ein solides Stück Holz in der Hand, das bei jedem Fertigungsschritt von Hand bearbeitet wurde. Beanstandungen der Verarbeitung oder Materialauswahl gibt es keine. Mir persönlich war die Saitenlage allerdings zunächst etwas zu hoch. Für meine recht handfeste Spielweise genügte es aber, die Halskrümmung etwas zu begradigen (also den Einstellstab anzuspannen). So kamen die Saiten leicht tiefer und es war weiter eine ausreichende Halskrümmung vorhanden. Die Bespielbarkeit ist so deutlich bequemer, ohne dass die Klangqualität beeinträchtigt wird.
Die attraktive Erscheinung und das "holzige" Äußere dieser Stoll-Gitarre lassen keine Berührungsängste aufkommen. Gern nimmt man dieses Instrument in die Hand und wird auch klanglich belohnt. Der Sound der PT 59 ist stramm, klar und deutlich. Die Ansprache der Bass-Saiten ist schnell, ihr Klang voller Substanz und frei von jeglichem Mulmen. Klangbestimmend sind die soliden Mitten, die für Durchsetzungsvermögen und Druck sorgen. Trotz dieser Dominanz ist es Christian Stoll gelungen, nasales Dröhnen und nöliges Quengeln konsequent zu vermeiden. Runde und weiche Höhen sorgen dafür, dass das Klangbild der PT 59 nie matt erscheint, auch wenn man nicht jede Woche die Saiten wechselt. Gut gelungen ist auch die Trennung der Saiten und Register; das Sustain ist ordentlich, die Balance zwischen Bässen, Mitten und Obertönen ausgewogen. Diese Gitarre klingt einfach rund, alle Aspekte der klanglichen Entfaltung sind im grünen Bereich. Am wohlsten fühlt sich die Stoll PT 59 bei Fingerpicking und Akkord-Strumming. Die klare Artikulation, die gute Ansprache und der ausgewogene Sound können sich hier voll entfalten.
Folkpicking, Songbegleitung und Blues-Riffs machen Spaß. Gut klingen auch abgedämpfte Backings auf den tiefen Saiten. Offensichtlich spielen die solide Konstruktion, die sorgfältige Verarbeitung und die massiven Hölzer ihre Vorteile aus. Wechselbässe kommen knackig, Pickings gehen leicht von der Hand und erklingen mit guter Saitentrennung. Lautstärke und Tragfähigkeit des Tons bewegen sich in der soliden Mittelklasse. Auch das Seidenmatt-Finish fühlt sich gut an. Hat man diese Gitarre in der Hand, wird deutlich, dass es sich um ein vollmassives Instrument handelt, man spürt, man hat es mit Holz zu tun, einem lebendigen Naturprodukt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass angesichts der Qualitäten der PT 59 einige Gitarristen eine Version in Hochglanz-Lackierung bevorzugen würden - vielleicht kann Stoll dies ja zu einem moderaten Aufpreis verwirklichen.
Fazit
Die Stoll PT 59 ist eine vollmassive Steelstring in einer attraktiven Preisregion, hergestellt mit großer Sorgfalt und aus guten Materialien. Sie ist komfortabel spielbar (nach Optimierung der Saitenlage, siehe oben) und besitzt gute Ansprache und beachtliches Tonvolumen. Prädestiniert ist sie für alle Formen der Songbegleitung (Fingerstyle oder Strumming) und natürlich für Solo-Fingerpicking. Plektristen können ruhig ein dünnes Pick verwenden - dank der tendenziell mittigen Klangausprägung ist dann immer noch genügend Substanz erhalten und die hohen Frequenzen erstrahlen angenehm silbrig.
Klang und Verarbeitung stehen in einem ausgesprochen günstigen Verhältnis zum Kaufpreis. Auch ohne die ständige Relation zur Preisgestaltung hat man mit der Stoll PT 59 ein feines Instrument unter den Händen. Nachtrag: Nach Rücksprache mit Christian Stoll werden die an den Handel ausgelieferten Serienmodelle der PT 59 mit optimierter Stegeinlage und Saitenlage ausgeliefert, so dass der oben erwähnte Kritikpunkt dann nicht mehr zutrifft.