Zeitschrift: Bass Quarterly 03/2019 | Autor: Sebastian Stolz
40 Jahre Stoll Guitars
Der Gitarrenbauer Christian Stoll ist seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der deutschen Szene. Seine Modelle genießen international einen hervorragenden Ruf, egal ob es um Gitarren oder Bässe geht. Obgleich seine Instrumente traditionell erscheinen mögen, strotzen sie doch voller innovativer und einzigartiger Details. Seine neueste Kreation im Bassbereich ist der Duke, ein Akustikbass in Archtop-Bauweise.
Alles begann im Jahr 1978, als ein junger Mann mit aller Kraft seinem Traum nachging. Durch hartnäckiges Erscheinen – wie er es selbst gerne beschreibt – brachte Christian Stoll den damals größten Gitarrenhersteller Hopf dazu, ihn als zusätzlichen Lehrling für das Fach Gitarrenbau einzustellen. Nach einer hervorragenden Ausbildung ging es 1983 in die ersten eigenen Räume in Taunusstein-Wehen, wo die eigene Werkstatt Gestalt annahm.
Schnell wurde ihm klar, dass auf dem harten Markt nur bestehen kann, wer sich spezialisiert. Seine Passion galt den akustischen Instrumenten, also begann er in diesem Bereich, konsequent seine eigenen Konzepte und Ideen umzusetzen und sie mit traditionellen Ideen zu verbinden. Heute, über 40 Jahre später, leitet Christian Stoll seine eigene Firma mit fünf Mitarbeitern, die ihre Werkstatt in Waldems hat.
Unter Bassisten ist Christian Stoll vor allem für seinen legendären Akustikbass bekannt. Das allseits bekannte Ungetüm, auch gerne „Kontrabass zum Umhängen“ genannt, besticht durch seine unglaublich hohe Lautstärke und Klangfülle bei herausragender Bespielbarkeit. Wer ihn einmal in den Fingern hatte, möchte keinen anderen Akustikbass mehr spielen, denn die wirken (und klingen) danach nur mehr wie Spielzeug. Das ist natürlich nur logisch, ein großer Korpus sorgt einfach für mehr Klang in der Tiefe und ist daher für einen Akustikbass eine absolute Notwendigkeit. Was Christian Stoll aber als Erster wirklich hinbekommen hat, ist, dies mit sehr guter Haptik und Bespielbarkeit zu verbinden. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass er der mir bisher einzig bekannte akustische Bass ist, der wirklich in einem Ensemble unverstärkt bestehen kann.
The Duke - Die Konstruktion
Ausgehend von seinem markanten, aber an vielen Stellen immer noch traditionellen Modell, hat Christian Stoll den Duke Archtop entworfen, der das Konzept des Akustikbasses neu definiert und viele innovative Konzepte in sich vereint. Die Abmessung des Korpus ist etwas kleiner als beim „großen“ Akustikbass. Mit 430 Millimeter Korpusbreite und einer Zargentiefe von etwa 120 Millimetern ist der Duke zwar weiterhin stattlich groß, wird jedoch durch die Archtop-Bauweise eleganter und geschwungener. Dazu kommt ein Multiscale-Griffbrett (Fanned-Fret-System), welches eine Fächerung von 864 bis 903 Millimeter aufweist. Steg und Kopfplatte wurden vom Design her an die „schiefen Bünde“ angepasst, was den Bass extrem stylisch aussehen lässt. Die hochwertigen Hölzer tragen natürlich ebenso dazu bei.
Der Korpus besteht aus wunderbar geflammtem Ahorn, kombiniert mit einer Decke aus Sitkafichte. Beim Zargenfugenspan und den Bindings fand Robinie Verwendung, besser bekannt unter dem Namen Falsche Akazie. Aus diesem Holz sind auch der Saitenhalter und Steg sowie das Griffbrett, das sauber auf einem Hals aus klassischen Cedro ruht. Mechaniken wie Gurtpins stammen aus dem Hause Schaller und fügen sich unauffällig in das edle Gesamtbild ein.
Handhabung und Klang
Wie spielt man nun solch einen großen Bass? Im Sitzen empfiehlt Christian Stoll die Haltung der klassischen Gitarre, also mit dem Korpus auf dem linken Bein ruhend, und das funktioniert. Nach ein wenig Ausprobieren hat man schnell eine Position gefunden, in der man mit der linken wie rechten Hand alles erreicht und das Instrument wunderbar ausbalanciert am Körper hat. Das Multiscale-Griffbrett ist dank des flachen Halses einfach zu bespielen, die eher schwache Fächerung (im Vergleich zu anderen Herstellern) macht die Umgewöhnung sehr leicht. Die für einen Akustikbass flache Saitenlage verlangt feinfühliges Anschlagen. Einmal daran gewöhnt, ist man erstaunt, wie schön dieser Duke klingen kann. In der Tiefe klingt er sauber, klar und brillant. Die vielen Obertöne geben ihm eine Transparenz im Ton, welche ich so noch nicht gehört habe. Dazu ist er laut, richtig laut sogar! Es ist wirklich überraschend, wie viel Kraft er hat, ohne dass man dafür als Spieler viel tun muss. In den mittleren Lagen bekommt die Klangfarbe eine herbe Note, nicht unähnlich einem Cello. Die hohen Lagen, welche dank eines wunderbar geschmeidigen Übergangs von Hals zu Korpus alle perfekt zu erreichen sind, strahlen und laden förmlich zu Soli und Akkordspiel ein. Einmal angefangen zu spielen, möchte man gar nicht mehr aufhören! Mir persönlich würde eine kleine Daumenstütze über der E-Saite gefallen, da ich in der Mitte des Korpus einen wunderbaren Sweet Spot für mich entdeckt habe, der eine optimale Mischung aus Wärme und Durchsetzungsfähigkeit mit sich bringt.
Der Duke im Ensemble
Voller Vorfreude habe ich den Duke gleich am nächsten Tag mit zu einer kleinen Probe und anschließendem Wohnzimmerkonzert mit einem Singer-Songwriter genommen. Eigentlich war ich am Kontrabass gebucht, aber für die Probe sollte der Duke ausreichen. Die Besetzung ist komplett unplugged, bestehend aus Gitarre und Gesang, Bass und Perkussion, was in dem Fall ein ganz kleines Drumset mit etlichen zusätzlichen Elementen bedeutete. Schon beim Auspacken machten die Kollegen große Augen, denn allein optisch ist der Bass ein echtes Spotlight. Nach den ersten Tönen aber kamen wir alle aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie maßgeschneidert für unsere Besetzung fügte sich der Duke klanglich genau zwischen Gitarre und Drums ein, sorgte mit seinen klaren Tiefen zu jeder Zeit für einen deutlich hörbaren Ton und brachte auch genug rhythmische Elemente mit ins Spiel, als vom Schlagwerk nicht so viel passieren konnte. An Lautstärke mangelte es zu keiner Zeit. Im Gegenteil, man musste sogar aufpassen, mit dem Akustikbass nicht zu laut zu werden, wenn die Gitarre Fingerpickings spielte. Solch ein akustisches und intimes Musizieren hatte ich in einer Besetzung dieser Art schon lange nicht mehr.
The Duke im Live-Einsatz
Spontan entschieden wir uns, den Duke abends beim Konzert einzusetzen. In einem kleinen Musikcafé spielten wir vor etwa 40 Zuhörern leicht verstärkt. Da der Duke ohne einen Pickup ausgeliefert wurde (Christian Stoll bietet natürlich die Option an, seine Instrumente von Werk aus mit Pickups zu bestücken), experimentierte ich ein wenig mit meinem Mikro von d:vote sowie dem Amp Three von AER. Erneut kam ich schnell und unkompliziert zu klanglich umwerfenden Ergebnissen. Die Gitarren- und Bass-Amps dienten lediglich als kleine Unterstützung zum akustischen Klang, was für die Größe des Raums völlig ausreichend war und es dem Schlagzeuger ermöglichte, befreiter aufzuspielen. Die tolle Bespielbarkeit eröffnet viele tolle Möglichkeiten wie schnellen Wechsel zwischen klassischem Wechselschlag und Fingerpickings, was, verbunden mit Akkordspiel, die Soli des Gitarristen ganz anders zur Geltung brachte. Aber auch bei Stücken, die sich stilistisch Richtung Country und Bluegrass bewegten, konnte man durch einen kräftigen Anschlag über dem Griffbrett einen Kontrabass richtig gut imitieren.
Fazit
Ein wenig traurig wurde ich schon, als ich das tolle Instrument wieder abgeben musste. Der Stoll Duke Archtop ist ein außergewöhnlicher Akustikbass, der sich klanglich irgendwo zwischen Kontrabass und akustischem Bass einordnet und unglaublich viel Spaß macht. Hochwertig gebaut und mit viel Liebe zum Detail bekommt man mit ihm ein Instrument, an welchem man lange Spaß haben wird. Zum Lieferumfang gehört ein passgenaues Gigbag, mit dem der Bass sicher transportiert werden kann. Dazu ist jedes Modell natürlich ein Unikat. Christian Stoll und sein Team gehen auf jegliche Wünsche ein, solange diese machbar sind. In der Werkstatt sowie bei ausgewählten Händlern gibt es immer einige zum Antesten, also unbedingt hingehen. Es lohnt sich.
Infos
Gitarre im Test: | The Duke, Akustikbass in Archtop-Bauweise |
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Testbericht bassQarterly Archtopbass The Duke
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