Stoll Guitars – IQ Steelstring

Zeitschrift: Akustik Gitarre 02/2012 | Autor: Andreas Schulz

Christian Stoll, deutscher Gitarrenbauer aus dem Taunus, ist eigentlich für seine traditionell orientierten Instrumente bekannt. Bei seiner neuen IQ-Steelstring hat er einige der interessanten Gitarrenbau-Trends der letzten Jahre aufgegriffen.

Dieser Test hat Spaß gemacht: Eine im Kern traditionell gebaute Steelstring-Acoustic mit modernen Zutaten, die sich toll spielt und bei den Aufnahmen für die AKUSTIK-GITARRE-CD mit einem verblüffend offenen Klangbild glänzte.

Konstruktion

Stolls IQ ist eine Jumbo-Steelstring mit Sitkafichtendecke und Palisanderkorpus. Die verbauten Hölzer sind vollmassiv und von ausgesuchter Qualität, die Decke wurde bookmatched gefügt, gut zu sehen an zwei kleinen Haselungen in der Maserung. Der rund geschwungene Cutaway setzt am 17. Bund an, Decken- und Bodenbindings bestehen aus Anigré (ein ostafrikanisches Laubholz). Das seidenglänzende Nitro-Finish des Instrumentes gibt ein angenehmes haptisches Gefühl. Nicht alltäglich für eine Steelstring ist die Bauweise mit spanischem Halsfuß – das passt zu Stolls Stil als Luthier. Einzige Verzierung ist  eine Schalllochrosette aus Abalone. Fast könnte man den auffallend geschwungenen Palisandersteg ebenfalls als Verzierung durchgehen lassen. Er trägt eine knöcherne Stegeinlage, die Saiten werden von Palisander-Steckerchen mit Abalone-Auge gehalten.

Der Hals besteht aus Cedro, der Halsfuß ist angesetzt. Auffallend die modern geschwungene asymmetrische Kopfplatte mit Palisanderfurnier und eingelegter Abalone-Signatur. Die Mechaniken sind nicht spiegelbildlich gesetzt – es ergibt sich ein fast gerader Saitenweg vom Sattel zu den Mechanikschäften. Die Tuner sind Schaller M6-Mini-Typen mit Palisandergriffen und arbeiten gewohnt souverän. Auch die Ausarbeitung des Knochensattels gibt keinen Anlass zu Kritik, die Saiten lassen sich leicht stimmen und klemmen nicht fest. Das Palisandergriffbrett trägt 20 Bünde (21 bei h2, 22 bei e1), der Hals-Korpus-Übergang liegt am 14. Bund. Als Lagenmarkierungen weisen lediglich kleine Dots auf der Halsoberkante den Weg. Die Bundstäbchen besitzen unauffälliges Medium-Format und sind perfekt eingesetzt, entgratet und poliert.

Besonderheiten

Wer noch nie eine Fanned-Fret-Gitarre gesehen hat, ist ob des verblüffenden Erscheinungsbildes baff erstaunt. Die Idee eines solchen Multi-Scale-Fretboards: die Mensurlänge nimmt von den hohen zu den tiefen Saiten hin zu, dafür sind Steg und Sattel in entgegengesetzten Winkeln schräg ausgerichtet. Die schwingende Saitenlänge misst bei der hohen e-Saite 645 mm, bei der tiefen E-Saite 683 mm. Entsprechend sind die Bünde nicht parallel ausgerichtet, sondern aufgefächert.

Weitere konstruktive Details betreffen den Korpus. An der Auflagestelle für den rechten Arm finden wir einen Bevel, eine Abflachung der Korpuskante, bei der IQ dezent realisiert über ein verbreitertes Binding, das in  handschmeichlerischer Formgebung verrundet wurde optisch und handwerklich bestens ausgeführt. Das Zargenschallloch, eine kleine zusätzlicheÖffnung in der vorderen oberen Zarge, soll dem Gitarristen das gewisse Quantum mehr an Kontrolle über den eigenen Ton und die Artikulation liefern. Die Formgebung passt zu Kopfplatte und Steg, die Öffnung ist recht klein, liefert aber den gewünschten Effekt.

Handhabung und Klang

Christian Stolls IQ-Steelstring ist hochwertig verarbeitet, entsprechend gern nimmt man das Instrument zur Hand. Die maximale Korpusbreite beträgt etwa 43,5 cm – eine großformatige Jumbo-Gitarre mit viel Rauminhalt.

Wie wirkt sich die Fächerbundierung auf das Spielgefühl aus? Meine Erfahrung: Nach kurzer Zeit hat man sich daran gewöhnt und spieltmit großer Selbstverständlichkeit; kleine Lagekorrekturen bei weitgespreizten Griffen über mehrere Bünde korrigiert die linke Hand automatisch. Wünschenswert wären allerdings Griffbrettmarkierungen – große Lagensprünge in Richtung 12. Bund gehen schon mal schief und man spielt ungewollt „outside“.

Bevel und Zargenschallloch machen sich positiv bemerkbar. Trotz dezenter Dosierung sind erfreuliche Effekte feststellbar. Bei längerem Spiel drückt die  Korpusoberkante längst nicht so störend auf den Oberarm – eine klare Erleichterung  für Vielspieler. Das zusätzliche Schallloch, als extra Monitor dem Spieler zugewandt, wirkt sich trotz geringer Größe spürbar aus: Man hat bessere Kontrolle über das eigene Spiel und hört sich in Ensemble-Situationen deutlicher. Laut Christian Stoll ist die Größe so bemessen, dass der Effekt für den Spieler positiv ausfällt, ohne den Klang nach vorn zu verändern.

Die IQ hat einen ganz eigenen Sound. Der Ton ist groß und voluminös, dabei verblüffend brillant. Die Gitarre knallt richtig und setzt sich mit einer Extraportion an Obertönen markant in Szene. Die Grundtönigkeit ist eher gering ausgeprägt, zu bemerken bei Single-Notes im höheren Register, die auf den oberen drei Saiten einen nur dezenten tieffrequenten Anschlag-Knack aufweisen. Das Korpusvolumen dieser Jumbo-Steelstring sorgt dafür, dass der Sound dennoch mächtig und fundamental ausfällt.

Ebenfalls auf der Haben-Seite zu verbuchen ist die Reaktion auf die artikulatorischen Feinheiten des Spielers: Man kann auch warme und geradezu samtige Töne aus der Gitarre herausholen – um sich im nächsten Moment mit energetischen Strummings oder Arpeggien wieder offensiv nach vorn zu spielen. Die Fächerbundierung hat zwei wichtige Auswirkungen. Die Intonation von Stolls IQ ist vorbildlich über das gesamte Griffbrett. Man kann ein Voicing mit Quarten oder Quinten vom 1. bis in den 17. Bund verschieben, ohne dass die saubere Stimmung der Intervalle leidet. Verblüffend – fast jede Standardgitarre stößt hier an ihre Grenzen.

Fazit: Oktav- und Bundreinheit und die daraus resultierende Integrität von Akkorden sind perfekt. Die längere Mensur der tiefen Saiten sorgt für höhere Saitenspannung und klaren Bass, Einzeltöne erinnern an die Klangentfaltung eines Klaviers. Man kann ganz normale Saitensätze benutzen, auf der Testgitarre waren 012er Elixir aufgezogen.

Angenehmer Nebeneffekt: Durch die im Bass verlängerte Mensur hat man Spielraum für Downtunings; man kann die tiefe E-Saite um eine Quarte nach unten auf stimmen bei vertretbarem Spielgefühl und ebensolcher Intonation. Tunings wie CGCGAD sind problemlos möglich, mit straffem Bass und bemerkenswert großem Dynamikumfang. Stilistisch ist dieses Modell eher für moderne Richtungen geeignet und in Plektrum- wie Fingerstyle-Technik musikalisch gewinnbringend einzusetzen. Ton und Aussehen passen gut zu New-Age-Pickings, perkussiven Spielweisen oder ausgefeilten Fusion-Stücken mit herausfordernder Spieltechnik. Eher weniger würde ein Umfeld mit Blues und Roots-Music zu dem Instrument passen.

Fazit

Christian Stoll hat sich erfolgreich an einem Modell mit modernen Zutaten versucht. Die Zusammenstellung der Besonderheiten Fächerbundierung, Bevel und Zargenschallloch ist gelungen und ergibt zusammen mit der soliden Basis einer handgebauten vollmassiven Jumbo-Steelstring ein grandioses Instrument, mit dem man auffällt. Der obertonreiche Klang mit seiner klaren Artikulation sowie die extrem saubere Intonation in allen Lagen machen Stolls  IQ zu einer außergewöhnlichen Solistengitarre.

Infos

Gitarre im Test: IQ
Weitere Testberichte: Guitar Acoustic 2012
Download PDF: Testbericht Akustik Gitarre 05/12 IQ
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