Zeitschrift: Akustik Gitarre 02/2016 | Autor: Andreas Schulz
Christian Stoll hat als Gitarrenbauer eine eigene Handschrift. Er pflegt eine höchst individuelle Mischung von Tradition und Moderne und hat auch noch ein Händchen für gelungene Linienführung sowie ansprechendes Design. Wir testen diesmal ein Custom-Modell seiner bekannten Ambition Fingerstyle.
Gebaut wurde diese Gitarre für einen Kunden, der eigentlich eher aus dem Klassikbereich kommt. Auch wenn man nicht alle von dessen Sonderwünschen selbst auswählen würde, ist ein solches Instrument doch gut geeignet, die Möglichkeiten des Customizing aufzuzeigen.
Konstruktion
Die Ambition Fingerstyle ist eine 12-Fret- Steelstring und kommt traditionsgemäß mit Fensterkopfplatte. Die Decke besteht aus massiver Engelmann-Fichte in AAA-Qualität, Boden und Zargen wurden hier aus massiver europäischer Wildkirsche erstellt – einem recht hellen Holz mit intensiver streifenförmiger Maserung. Der Boden wurde aus zwei Teilen spiegelgleich gefügt. Die Engelmann- Fichte ist ebenfalls recht hell und typischerweise sehr eng und gleichmäßig strukturiert, sodass man aus etwas Entfernung gar kein Maserungsbild mehr erkennt, nur noch eine homogene Fläche. Das Standard Modell besitzt übrigens einen Palisander-Korpus. Die Korpusform der Ambition ist eine Eigenentwicklung von Christian Stoll, irgendwo zwischen Dreadnought und Klassikgitarre angesiedelt, bei einer moderaten Zargentiefe zwischen 9,5 und 10,5 Zentimeter.
Die Bindings bestehen aus Palisander und sind an der Decke dezent mit einem Holzmosaik abgesetzt, das sich als Schallloch-Umrandung in drei Ringen wiederfindet – auch ein Custom-Feature, denn normalerweise sitzt hier ein Abalone-Ring. Der Hals besteht aus Cedro, der Halsfuß ist angesetzt. Christian Stoll hat hier nach der spanischen Bauweise für die Verbindung von Hals und Korpus gearbeitet – das kennt man eher von Klassikgitarren. Der Hals trägt ein kräftiges und gleichmäßig tiefschwarzes Ebenholz- Griffbrett, der Hals-Korpus-Übergang liegt im zwölften Bund, die Bundierung umfasst 18 Medium-Bundstäbchen plus eine Extension für E-, h- und e-Saite. Die Kopfplatte ist vorderseitig korrespondierend zum Korpus mit Wildkirsche furniert; es wurde eine vergoldete offene Schaller-Mechanik in Hauser-Form montiert, passend zum Griffbrett mit Ebenholz- Griffen. Der offene Fensterkopf trägt das Stoll-S aus Perlmutt.
Die Saiten werden an einem Knüpfsteg aus Palisander befestigt – wieder eine Abweichung vom Standard auf Wunsch des Kunden – und laufen über Steg-Einlage und Sattel aus Knochen. Weitere Details kennt man wieder eher aus dem klassischen Bereich, so gibt es keine Griffbrettmarkierungen, auch nicht an der Seite. Der Hals kommt Fingerstyle-freundlich in einer Breite von 46 Millimetern am Sattel und 56 Millimetern am zwölften Bund, die Mensur beträgt 65 Zentimeter. Das Hals-Shaping wurde in Absprache mit dem Kunden als stark abgeflachtes D ausgeführt, das super in der Hand liegt. Das Instrument ist mit Nitrocellulose-Lack versiegelt, der Hals seidenmatt, der Korpus seidenglänzend.
Diese Custom-Version der Ambition Fingerstyle beweist Christian Stolls Talent als Gitarrenbauer mit traditionellen Wurzeln, der aber ebenso offen für Entwicklungen und Experimente ist. Experimente dann, wenn sie Sinn machen, Klang oder Handhabung fördern und keine unerwünschten Kompromisse nötig machen. Dieses Instrument bietet eher Raum für Tradition, umgesetzt in der 12-Fret-Konstruktion mit Fensterkopfplatte und der Bauweise mit spanischem Halsfuß. Nicht alltäglich ist sicher die Verwendung von Wildkirsche als Korpusholz. Dazu kommen noch einige Parameter, die der Kunde sich ausgesucht hat. In Summe erhalten wir ein stimmiges Instrument, verwirklicht auf hohem Niveau des individuellen Gitarrenbaus. Alles an der Gitarre verströmt die Ausstrahlung kundigen Handwerks und zeigt keinerlei Makel.
Pickup & Preamp
Verbaut ist bei dieser Custom-Steelstring ein L.R. Baggs Anthem, ein Premium-Pickup- System bestehend aus dem Element-Piezo unter der Steg-Einlage, kombiniert mit einem speziellen Mikrofon im Korpus. Dieses System hat sich vielfach bewährt und steht für einen möglichst natürlichen Klang, der Hersteller hat es geschafft, dem internen Mikrofon den sonst üblichen topfigen Sound abzugewöhnen. Die Regel-Einheit mit Lautstärke und Mischungsverhältnis sitzt in der oberen Schalllochrundung, an Bord sind außerdem ein Phasendreher und eine Taste zum Prüfen der Batteriekapazität. Die 9-Volt-Batterie sitzt in einer kleinen Tasche im Korpus neben dem Halsfuß; die Ausgangsbuchse ist wie gewohnt gleichzeitig hinterer Gurt-Pin.
Handhabung und Klang
Der Korpus der Ambition ist großformatig, aber gut zu handhaben. Souverän nimmt das Instrument auf dem Schoß Platz, und man merkt bereits bei den ersten Tönen und Akkorden, dass es äußerst angenehm zu bespielen ist. Die Abstimmung von Bundierung, Halskrümmung und Saitenlage ist auf leichtes, aber Nebengeräusch-freies Spiel bei mittlerem Anschlag ausgerichtet; die Halsbreite und das recht kräftig abgeflachte Profil kommen dem Fingerstyle-Spieler, dessen Daumen zuverlässig auf der Halsrückseite platziert ist und nicht in Cowboy-Haltung auf der Oberkante parkt, entgegen. Die Intonation ist über den gesamten spielbaren Halsbereich sehr gut, ebenso die Oktavreinheit.
Der Hörtest ergibt ein ungemein durchsichtiges Klangbild: Auf Basis solider, aber nicht übermächtiger Bässe transportieren die satten Mitten die Aktion des Spielers. Sie sind auffallend kultiviert und vermeiden alles Nölige oder Aggressive. Nach oben schließt sich dann ein feiner Reigen von Präsenzen und Obertönen an, der die gespielten Noten mit einer lichten Aura umgibt und ihnen eine schöne, mehrdimensionale Kontur verleiht. Das sind natürlich ideale Voraussetzungen für die Fingerstyle- Arbeit, speziell für Gitarristen, die eher auf Schönklang aus sind als auf erdige Blues-Artikulation. Das Holzig-Trockene einer, sagen wir, gut abgehangenen Slope-Shoulder- Dreadnought oder einer alten 12-Bund- Martin-Style-Flattop bringt die Stoll Ambition Fingerstyle nicht. Dafür alles, was frisch, durchsichtig und elegant klingen soll.
Songbegleitung, Keltisches, Modernes, New-Age lassen sich mit diesem Instrument hervorragend umsetzen. Dabei ist die Ansprache grandios, auch leichte Anschläge ergeben einen vollen und ausdrucksstarken Ton, der Sound lässt sich sehr gut gestalten und modulieren, die Umsetzung jeglicher Aktion des Spielers ist vorbildlich. Dadurch klingen auch einfache Akkorde – wenn sie denn sauber und souverän artikuliert sind – nach Musik und strahlen Tiefe und Ausdruck aus. In Summe ergibt das ein extrem aufgeräumtes Klangbild mit viel Charakter, das sich musikalisch vielseitig einsetzen lässt. Außen vor bleiben nur Blueser und Power-Strummer – für die gibt es besser geeignete Instrumente. Leichtes Strumming, Flatpicking und auch mit Plektrum angeschlagene Einzeltonlinien passen allerdings wieder sehr gut ins Einsatzbild der Ambition Fingerstyle.
Fazit
Stoll Guitars ist ein großer Custom-Shop. Auf Basis etablierter und bewährter Modelle kann man sich hier als Gitarrist ein individuelles Instrument bauen lassen – so wie diese Ambition Fingerstyle mit Wildkirsche-Korpus und einer Reihe weiterer personalisierter Features. Die Gitarre beweist in Design, Materialien, Ausführung und Klang einmal mehr die Handwerkskunst und den Sachverstand des Gitarrenbauers. Wer eine auf Fingerstyle abgestimmte Steelstring sucht und eigene Ideen verwirklicht sehen will, sollte Christian Stoll einen Besuch abstatten.
Wissenwert
Kirsche als Tonholz (von Christian Stoll)
Kirsche als Tonholz für Boden und Zarge einer Gitarre steht für einen klaren, ausgewogenen Ton mit eher zarten, schwebenden Höhenanteilen. Eine Gitarre aus Kirschholz klingt niemals so hart wie eine Ahorn-Gitarre oder so mittenbetont wie eine Gitarre aus Palisander. Das Klangbild hat einen ganz eigenen Charakter, der natürlich mit der Wahl des Holzes für die Decke noch beeinflussbar ist. Ich bevorzuge in Kombination mit Kirsche sehr leichtes Deckenholz und werde auf der Suche danach meistens bei der Engelmann-Fichte fündig.
Leider ist Kirsche in Tonholzqualität nur in sehr kleinen Mengen verfügbar und damit nicht sehr weit verbreitet. Das wirkt sich natürlich auch preislich aus. Indischer Palisander kostet, obwohl er eine deutlich längere Anreise hat, tendenziell weniger als europäische Kirsche gleicher Qualität. Es bleibt zu hoffen, dass durch erhöhte Nachfrage von Instrumentenbauern zukünftig in den Sägewerken etwas besser sortiert wird.
Infos
Gitarre im Test: | Ambition Fingerstyle |
Weitere Testberichte: | Akustik Gitarre 02/2006 |
Download PDF: | Akustik Gitarre 02/16 Stoll Ambition Fingerstyle Custom 12 Fret |