Zeitschrift: bass quarterly 4/2009 | Autor: Lutz J. Mays
Auch Bassisten haben das Recht auf ein eigenes akustisches Instrument.
Was bei den E-Bässen schon lange selbstverständlich ist, ist im Akustikbassbereich noch fern jeder Realität – ein Instrument, das auf die akustische tieffrequente Übertragung von Tönen spezialisiert und in Handhabung und Nutzbarkeit auf die Bedürfnisse von Bassisten abgestimmt ist. Meist wird uns eine Gitarre als Bass verkauft. Dem größten Gitarrenmodell werden oftmals vier oder fünf Saiten aufgespannt und fertig ist der neue Akubass.
Doch halt! In einem kleinen verträumten Dorf, tief versteckt im Rheingau-Taunus, formiert sich Widerstand. In dem von ausgedehnten Wiesen und sanft ansteigenden Feldern und Wäldern geprägten Kleinod namens Esch, wo bereits im 6. Jahrhundert nach Christus Siedler den fruchtbaren Lössboden für ihren Unterhalt zu nutzen wussten, macht sich Christian Stoll auf, der ehrbaren Bassistenzunft endlich ein eigenes akustisches Instrument zur bassistischen Kunst und zur Vervollkommnung des Minnespiels an die Hand zu geben. Ein eigens als Bass konzipiertes akustisches Instrument. Sollte das nicht eigentlich selbstverständlich sein?
Christian Stoll baut seit 1987 seinen Akustikbass – und hat diesen seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Der Korpus ist deutlich größer als der einer Gitarre und unterscheidet sich damit wesentlich von anderen Instrumenten dieses Genres.
Anfangs hatten die ersten Bässe noch einen Korpus aus Palisander mit Fichtendecke. Nach einigen Experimenten mit Ahorn wird seit 1990 bevorzugt die Kombination Ahorn/Fichte verwendet. Im Laufe des evolutionären Prozesses wurden Details am Bass optimiert, bis er die heutige Form erreichte.
Besonders zu erwähnen ist da das "Constant String Spacing", bei dem am Steg nicht die Abstände zwischen Saitenmitte/-kern bis Saitenmitte/-kern gleich sind, sondern ausschließlich die Räume zwischen den Saiten. Des Weiteren ermöglicht ein stärkerer Halswinkel noch einiges mehr an Attack und Lautstärke.
Komponenten
Die Decke des Stoll Akustikbass 3.0 besteht aus Fichte, Boden und die Zargen sind aus Ahorn. Für den wunderbaren Hals wird die spanische Zeder verwendet und Ebenholz für das Griffbrett. Die Mensur ist eine Standard "Long Scale"-Mensur von 86,4 cm.
Beachtliche Ausmaße hat das Instrument: 128 cm in der Länge und 54 cm an der breitesten Stelle des Korpus. Bei diesen Ausmaßen ist das Gewicht von knapp 3 kg als "leicht" zu bezeichnen. Von der Hardwaremanufaktur Schaller stammen die hochwertigen vergoldeten Mechaniken, als Tonabnehmer hat Christian Stoll einen McLoud ausgewählt.
Auf dieses Tonabnehmersystem möchte ich hier ausführlicher eingehen, da die Verstärkung akustischer Instrumente mit dem Anspruch, den akustischen Klang natürlich lauter zu machen, eine komplexe Angelegenheit ist, in der viele Faktoren eine Rolle spielen. Und hier tritt ein System an, das sich als Alternative zu herkömmlichen Piezo-Systemen anbietet.
Das System besteht aus einem Koaxialkabel, welches als Ton - abnehmer fungiert (also kein starrer Piezo), und dem Preamp.
1. Koaxialkabel: Es ist aus einem speziellen keramischen Werkstoff gefertigt, der durch Druckänderung einer schwingenden Saite eine Ladungsverschiebung innerhalb der kristallinen Struktur verursacht, aus welcher sich wiederum ein proportionales elektrisches Signal gewinnen lässt. Das flexible Kabel ist allseitig gleichmäßig empfindlich und nimmt dadurch sehr viel mehr Signale aus dem Resonanzkörper des Instruments auf als ein starrer Tonabnehmer. Der Klang gewinnt an Natürlichkeit, Definition und Wärme und das Verhältnis von Anschlag und Ton verschiebt sich deutlich zugunsten des Tons. Rückkopplungs - neigungen reduzieren sich erheblich.
2. Preamp: Die in Hybrid-Technologie ausgeführte Elektronik ist das Herzstück des Systems. Da das Kabel aufgrund seiner besonderen Eigenschaften lediglich ein sehr schwaches und sensibles Signal abgeben kann, bedarf es einer ebenso sensiblen Vorrichtung, um dieses Signal zur problemlosen Weiter - verarbeitung als stabiles Ausgangssignal zu konfigurieren. In verständlichem Deutsch: Durch Verzicht auf integrierte Schalt - kreise, op-Amps usw. rauscht und brummt der Vorverstärker nicht und verbraucht sehr wenig Strom (Batterie ist in den Korpus geklettet).
Verarbeitung/Haptik
Lobend ist die Verarbeitung hervorzuheben: Mit Detailverliebtheit wird hier jeder Einzelheit mit größter Sorgfalt Rechnung getragen! Alles, vom hochwertigen Binding an den Korpuskanten über die Verarbeitung des Stegs bis hin zum verlängerten Griffbrett für die D- und G-Saite, zeugt von der hohen handwerklichen Fertigkeit des Meisters und der Nähe des Bauherrn zum Musiker und dessen Bedürfnissen.
Bespielbarkeit
Natürlich ist die Größe des Resonanzkörpers für den Spieler zunächst ungewohnt und man muss sich erst mal strecken, um die rechte Hand in Spielposition zu bringen – immerhin ist der Korpus ja ca. 14 cm dick und auch ob der Breite nicht ganz so leicht unter die Achselhöhle zu klemmen. Aber nach zehn Minuten ausgelassenen Spielens konnte ich mit dem Instrument in Verbindung treten, ohne die ungewöhnliche Haltung weiterhin wahrzunehmen.
Der Hals, der Halsübergang zum Korpus und der Cutaway sind sehr fein verarbeitet und laden zum Wohlfühlen ein. Jegliche Spieltechnik ist möglich und technisch leicht umzusetzen. Einzig das Constant String Spacing ist mir etwas ungewohnt. Nach weiteren zwei Minuten des Musizierens wurde mir dann klar, dass mir das String Spacing an sich viel zu eng ist. Ich bevorzuge da eher das breite 20 mm Maß (welches sich auf Wunsch sicherlich realisieren ließe) für meine Bratpfannenhände.
Der Klang
Unverstärkt: Na, das klingt doch schon mal ganz anders als mein Akubass "herkömmlicher" Bauart. Der Bass klingt nach Bass, klingt nach Bass, klingt nach Bass … Was hier zu hören ist, hat Fundament, Dynamik und Lautstärke. Dieser Bass kann mit einer akustischen Gitarre mithalten. Der Klang ist warm und definiert und tendiert schon deutlich mehr in Richtung Kontrabass als in Richtung E-Bass.
Nur um es klarzustellen: Natürlich hat dieser Bass nicht das Volumen eines Kontrabasses, die Gesetze der Physik verhindern das. Jedoch lässt dieses Instrument Gitarren, die zu Bässen umfunktioniert werden, klanglich wie auch optisch um Längen hinter sich. Zusätzlich hat Stoll Guitars meines Erachtens hier eine neue Instrumentengruppe geschaffen, die man frequenzmäßig sowohl als Bass aber auch als Soloinstrument – also vielseitig – einsetzen kann.
Verstärkt: Am unteren Gurtpin wird das Kabel eingesteckt, dann der Verstärker eingepegelt und alles ist gut. Die Sonne geht auf! Was man jetzt hört, ist ein bassiger, voll klingender, transparenter Sound, der jede Bassfunktion übernehmen kann. Der Bass klingt tatsächlich natürlicher, als ich es von allen mir bekannten Piezo-Tonabnehmern her kenne. Kaum hochfrequente Betonungen im Frequenzband, einfach und ausgeglichen. Auch die versprochene Feedbackresistenz entspricht der Wahrheit; man kann im Bandkontext locker mithalten – doch auch hier gelten die Gesetze der Physik. Das Instrument reagiert auf Anschlagsnuancen sensibel und ermöglicht so ein sehr dynamisches Spiel. Eine Klangregelung vermisse ich nicht, auch bleibt mein Amp neutral eingestellt. Ein perfektes Instrument.
Unbedingt antesten! Denn: Wenn Akubass, dann richtig!
Infos
Gitarre im Test: | Der legendäre Akustikbass |
Download PDF: | Testbericht BassQuarterly 04-09 Der legendäre Akustikbass fretless |
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