Neck Reset

Einige Gitarristen kennen das. Die Saitenlage ist katastrophal, an manchen Stellen viel zu hoch, an anderen so flach, dass es gotterbärmlich scheppert. Alle umgesetzten Ratschläge, die man in Foren oder Fachzeitschriften erhalten hat, haben nicht gefruchtet. Das Drehen des Halsstabs nutzt weder in die eine noch in die andere Richtung, die abgeschliffene Stegeinlage hat nur kurzfristig geholfen und das Furnierstückchen unter dem Steg war auch keine Lösung. Jetzt hilft nur noch der Weg zum Gitarrenbauer.

Halswinkel

Beim Neck Reset geht es darum, den Halswinkel der Gitarre zu korrigieren. Ein Neck Reset ist ein schwerwiegender chirurgischer Eingriff in die Gitarre. Übertragen auf den Menschen könnte man ihn vielleicht mit dem Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks vergleichen. Das Griffbrett wird von der Decke und der Hals aus dem Korpus gelöst. Dann werden Korrekturen an der Schwalbenschwanzverbindung durchgeführt und der Hals im richtigen Winkel wieder in den Korpus geleimt. Meist ist der Eingriff noch mit einer Neubundierung verbunden, da das Griffbrett abgerichtet werden muss. In seltenen Fällen wird sogar ein neues Griffbrett nötig.

Ursachen

Wie kommt es dazu, dass eine Gitarre sich so verändert, dass der Halswinkel nicht mehr stimmt bzw. nicht mehr zum Instrument passt und die Saitenlage so hoch wird, dass das Spielen nur noch mit erhöhtem Kraftaufwand möglich ist? Da ist zunächst der Saitenzug, eine Kraft, die beständig auf die Decke einwirkt. Viele Gitarren bilden aufgrund dieses Saitenzugs im Laufe der Jahre eine Auswölbung der Decke in Höhe des Stegs aus. Durch diese Erhöhung, auch „belly“ genannt,“ sitzt der Steg nicht mehr korrekt. Da die Saitenlage durch die Höhe der zwei Auflagepunkte Sattel und Stegeinlage bestimmt wird, wird sie im Ergebnis also höher. Anfangs kann man die Stegeinlage noch abschleifen aber irgendwann geht es nicht mehr tiefer.

Das nächste Opfer des Saitenzugs ist der Hals. Bei manchen alten Gitarren ist kein Einstellstab vorhanden, so dass ein Nachstellen nicht möglich ist. Ist das Halsholz relativ weich, kann der Hals im Laufe der Zeit dem Saitenzug nachgeben und sich komplett verbiegen. Die Saitenlage ist dann nur noch in den allertiefsten Lagen akzeptabel und nimmt Richtung Übergang radikal zu. Ist ein Halsstab vorhanden, wirkt dieser manchmal auch nur bis zum Übergang in den Korpus, In diesem Fall kippt der Hals den Saiten entgegen und es entsteht ein Knick am Hals-Korpus-Übergang. Es ist möglich, dass der Hals in diesem Fall bis zum 12. oder 14. Bund gerade ist, und dann ab dem Knick eine Rampe nach oben Richtung Schallloch beginnt. Die Saitenlage wird dann vom ersten Bund Richtung Übergang kontinuierlich höher. Dort  liegen die Saiten dann zu dicht an den Bünden und verursachen dementsprechend Nebengeräusche. Erhöht man die Saitenlage am Steg, verschwindet dieses Scheppern. Am entgegengesetzten Auflagepunkt Sattel, in der ersten Lage geht es noch, aber in den mittleren Lagen, wird die Saitenlage viel zu hoch und die Gitarre damit sehr schwer zu spielen. Außerdem leidet auch die Intonation unter einer zu hohen Saitenlage, aber das ist ein anderes Kapitel.

Zapfen

Das dritte Übel, das ein Neck Reset erforderlich macht, ist, dass der Zapfen der Schwalbenschwanzverbindung im Laufe der Jahre geschrumpft ist oder von vornherein etwas zu klein bemessen war. Wenn der Zapfen zu klein war, sind die Hohlräume mit Leim aufgefüllt worden. Dieser vergreist mit der Zeit und kann die Verbindung nicht mehr halten. Dann lockert sich der Hals und kippt ebenfalls nach vorne.

Reparatur

Die Entfernung des Halses ist eine diffizile Angelegenheit. Zunächst wird der Hals samt Griffbrett mit Hilfe von Wasserdampf vom Korpus gelöst. Dieser Vorgang benötigt oft mehrere Stunden, während derer mit Hilfe von Keilen die Verbindung Stück für Stück gelockert wird, damit der Wasserdampf tief genug eindringen kann. Hilfreich bei dieser Arbeit ist die Verwendung von Keilen, die vorsichtig immer weiter zwischen Korpus und Griffbrett geschoben werden, bis sich der Hals mitsamt dem aufgeleimten Griffbrett löst. Anschließend werden die Leimreste sorgfältig entfernt. Nun kommt der Teil, der wirklich Handwerkskunst vom Gitarrenbauer verlangt. Der Hals muss in einem für die gewünschte Saitenlage günstigen Winkel wieder eingepasst werden.

Dazu leimt man auf die Schenkel des Zapfens etwas Holz, meist reicht ein Furnier. Dann wird von der Stirnseite des Zapfens und dem Halsfuß vorsichtig Material abgetragen und zwar so, dass der Hals später weiter nach hinten geneigt ist. Zuletzt muss das auf die Schenkel geleimte Furnier entsprechend gegenläufig abgetragen werden. Erst dann kann der Hals wieder eingeleimt werden. Oft ist das Griffbrett nun nicht mehr ganz gerade. In diesem Fall werden die Bünde entfernt, das Griffbrett abgerichtet. Dies wird normalerweise mit einem Hobel gemacht, da aber in der fertigen Gitarre meistens bereits Inlays vorhanden sind, wird  im Reparaturfall geschliffen.  Hierzu wird ein stabiles Holz, ungefähr in der Größe eines Griffbretts, aber wesentlich dicker, auf der Unterseite mit Schleifpapier beklebt und dieses Werkzeug mit Fingerspitzengefühl immer wieder über das Griffbrett geführt und zwischendurch per Sichtprüfung der Winkel kontrolliert. Zum Schluss wird das Griffbrett neu bundiert.

Neck Reset vermeiden

Ein Neck Reset kann im Fall einer Rampe unter Umständen vermieden werden, wenn Hals und Griffbrett dick genug sind. Dann kann das Problem durch Abrichten des Griffbretts und Neubundierung gelöst werden. Das funktioniert aber nur, wenn die Abweichungen noch nicht allzu groß sind. In diesem Fall wird das Griffbrett in der Flucht des auf dem Korpus aufliegenden Teil nach oben hin abgeschliffen. Bei der Neubundierung sollte der findige Gitarrenbauer dann speziellen Reparatur-Bunddraht verwenden, bei dem der Ankersteg (das ist der Teil des Bundes, der ins Griffbrett eingelassen wird) etwas breiter ist. Durch diese Maßnahme wird der Hals insgesamt stabilisiert und kann der Hals dem Saitenzug besser Widerstand bieten.