Faktencheck 12-Bund-Gitarren oder die Wahrheit über 14-Bund-Gitarren

01. April 2022

Parlor Folk Stahlsaiten Gitarre
12-Bund-Gitarre

12-Bund-Gitarren entstammen den Kinderschuhen der Gitarrenentwicklung. Trotzdem sind sie seit einigen Jahren wieder angesagt. Anklang finden sie besonders bei Freunden des sogenannten "unverfälschten" Tons. Solche 12-Bund-Fanatiker machen geltend, diese Gitarren hätten einen runden, freien Ton im Gegensatz zu 14-Bund-Gitarren. Wir haben die Fakten gecheckt. Werden wir seit Jahren um den optimalen Gitarrensound betrogen oder handelt es sich bei 12-Bund-Fans um Verschwörungstheoretiker, ewig Gestrige, die den Glockenschlag nicht gehört haben? 

12-Bund-Gitarren sind Gitarren, deren Hals-Korpus-Übergang sich, im Gegensatz zu den hoch im Kurs stehenden 14-Bund-Gitarren, am 12. Bund befindet. Dies ist grundsätzlich bei allen klassischen Gitarren der Fall. Wir wollen uns heute jedoch die Stahlsaitengitarre vornehmen, wie sie sich aus der klassischen Gitarre entwickelt hat und wo diese Entwicklung hingeführt hat.

Konstruktion 12-Bund-Gitarre

Jon Gomm (tatto)
Jon Gomm auf seiner 14-Bund-Gitarre

Die Klassikgitarre ist die Vorlage für alle ihr nachfolgenden Gitarrenarten. Bei der 12-Bund-Gitarre sitzt der Steg im Zentrum des schwingenden Teils der Decke, damit er so die Decke optimal bewegen kann. Dies ist unter 12-Bund-Fanatikern das Totschlag-Argument schlechthin. Es wird in ihren Reihen auf die lange Tradition und die Bedeutung der klassischen Gitarre abgehoben und die Entwicklung der 14-Bund-Gitarre als der dekadente Abstieg einer Gitarristengemeinschaft betrachtet, die eigentlich den Bezug zu ihrem Instrument verloren hat und sich von oberflächlichen Lautstärkephänomenen blenden lässt ohne noch in der Lage zu sein, den Ton in seiner Gesamtheit wahrzunehmen.

Damit werden dann auch gerne Einschränkungen der Spielrichtungen in Kauf genommen. Alles um den Preis der "Reinheit" des Instruments.

Geschichte der Stahlsaitengitarre

Django Reinhardt (Gottlieb 07301)
Django Reinhardt

Schauen wir uns also einmal an, wie die Stahlsaitengitarre entstanden ist. Bereits im 19. Jahrhundert wurde sie in Nordamerika aus der klassischen Gitarre entwickelt und damit ihrem elitären Status enthoben.  Teure Darmsaiten wurden kurzerhand mit kostengünstigem Draht ersetzt, ein Instrument für die breite Masse war geboren.

Amerika, das Land der Pioniere, war auch in Sachen Gitarre ein Vorreiter für Freiheit durch Einfallsreichtum und "thinking out of the box". Im Gegensatz zu der Salonmusik des Großbürgertums konnte der einfache Mann auf der Straße Gleichgesinnte finden und das nicht nur unter den Gitarristen, nein auch das Zusammenspiel mit Banjo, Waschbrett, ja sogar Schlagzeug, wurde möglich.

Durch die entfachte Spiellust und die Freude am gemeinsamen Schaffen, entstand das Bedürfnis, die Gitarre lauter zu machen. So entstand aus einer proletarischen Massenbewegung ein leistungsfähiges, lautes und versatiles Instrument, die 14-Bund-Gitarre, wie sie auch heute noch von breiten Teilen der Gitarristenszene gespielt wird.

Unzählige neue Anwendungsmöglichkeiten wurden seit den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts durch das nun mögliche Zusammenspiel mit anderen (lauten) Instrumenten kreiert. Neue Musikstile wurden geschaffen, Jazz, Bluegrass, Blues, Folk, ohne die es so legendäre Bands wie die Beatles oder die Rolling Stones gar nicht gegeben hätte.

Die ungeheure Schaffensphase des letzten Jahrhunderts hat die Entwicklung der 14-Bund-Gitarre in ungeahnte Höhen katapultiert. Während am Anfang nur  Lautstärke das Kriterium war, entwickelten sich bald Gitarren für die unterschiedlichsten Anforderungen. Parlour-, Fingerstyle-, Jumbomodelle, 12-Saitige Doppelchörige und jede Menge mehrsaitige Variationen haben den Gitarrenmarkt erobert. Diese Entwicklung spricht für sich, doch schauen wir uns auch die Argumente der 12-Bund-Fanatiker an.

Konstruktionskritik 14-Bund

Konstruktionstechnisch, so geben 12-Bund-Fanatiker zu verstehen, wäre durch die Verschiebung des Hals-Korpus-Übergangs bei der 14-Bund-Gitarre der Steg nun vom am meisten schwingenden Teil der Decke weg und nach oben verschoben. Dadurch wäre er nicht mehr an der optimalen Stelle zur Tonerzeugung. Gerne wird von ihnen das Beispiel einer Luftpumpe herangezogen, die Decke könne bei verschobenem Steg die Luft (und damit dem Klang) nicht mehr aus dem Schalloch transportieren.

Weiterhin argumentieren 12-Bund-Fanatiker, die Verschiebung des Stegs ergäbe auch optisch ein unharmonisches Bild.

Bevel Armauflage Gitarrenbauer stoll Innenansicht Korpus
Hochaufwändige Tonkorrekturmaßnahmen in einer 12-Bund-Gitarre

Kritik der Kritiker

Fakt ist, dass das, was 12-Bund-Fanatiker als wunderbar harmonisch bezeichnen,  ein vollkommen überzogener Mittenbereich ist, der dem untrainierten Ohr als "voll" erscheint und dabei übersieht, dass die Höhen bei 12-Bund-Gitarren  extrem unterbelichtet sind. Tatsächlich hat der Gitarrenbauer hier die schwere Aufgabe, mit seinem ganzen Können die Höhen mit Hilfe komplizierter Maßnahmen an der Deckenbeleistung so zu unterstützen, dass ein halbwegs ausgewogenes Klangbild erzeugt werden kann.

Praktisch eignen sich diese Gitarren nach diesem Prozedere immer noch nur für Fingerpicking, weil hier die von 12-Bund-Fanatikern gepriesene und als unabdingbar angesehene Schwingdynamik tatsächlich die Klangentfaltung unterstützt.

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14-Bund-Gitarre

Übersehen wird von diesen ewig Gestrigen aber, dass sie weder für hartes Plektrum-Spiel, noch für Strumming oder Solospiel in hohen Lagen geeignet sind. Das lange Ausschwingen der Decke entpuppt sich hier geradezu als Hemmschuh für virtuoses Spiel, nämlich durch die Überlagerung der Frequenzen und dadurch erzeugte unerwünschte akustische Nebeneffekte.

Die bedingte Eignung von 12-Bund Gitarren für Fingerpicking macht deutlich, wie das Argument, dass doch alle klassischen Gitarren den Übergang am 12. Bund hätten, einzuordnen ist. Das klassische Spiel auf der Gitarre kann durchaus mit der Steelstring-Methode Fingerpicking verglichen werden und gibt also dem Halsübergang bei Konzertgitarren eine gewisse Berechtigung. Experimente mit Veränderung des Halsübergangs wären auch hier sicher interessant, scheitern aber an der fehlenden Bereitschaft der Klassiker, sich auf Neues einzulassen.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass für 12-Bund-Gitarren viel Aufwand für wenig Ergebnis betrieben wird. Es steht die eingeschränkte Verwendbarkeit dieser Instrumente im krassen Gegensatz zu der Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten von 14-Bund-Gitarren.

Mögen die ewig Gestrigen sich weiterhin der Illusion des "vollen, runden" Klangs hingeben. Beindruckend, wie sich das Sprichwort "der Glaube versetzt Berge" auch in diesem Bereich bewahrheitet.

Achtung

Sie sind einem Fake Faktencheck auf den Leim gegangen. Dieser Artikel erschien als Aprilscherz am 01. April 2022. Die Wahrheit über 12/14-Bund-Gitarren können Sie in der Akustikgitarre 03/22 lesen.